Geburtsfehler: Ärztin haftet für Abbruch von auffälligem CTG

Eine unkomplizierte Schwangerschaft endet mit einer Katastrophe – und der Frage, wer für die schweren Schädigungen des Kindes verantwortlich ist.
Alles sah nach Routine aus. Gut zwei Wochen vor dem errechnete Geburtstermin stellt sich eine Frau bei ihrer Gynäkologin vor. Die Ärztin zeichnet 20 Minuten lang ein CTG auf. Dieses zeigt eine Bandbreite in der Herzfrequenz des Kindes von mehr als 25 Schlägen innerhalb einer Minute. Da die Ärztin sieht diesen Wert jedoch als normal an. Weiter Untersuchungen erfolgen nicht.

In den Tagen nach dem CTG spürt die Schwangere weniger Kindsbewegungen. Sie führt dies zunächst auf den nahenden Geburtstermin zurück, sucht eine Woche später aber doch noch einmal ihre Ärztin auf. Auch diesmal wird ein CTG geschrieben, diesmal über einen Zeitraum von 25 Minuten. Als das Gerät immer wieder Alarmtöne sendet, versucht die MFA mehrfach, das CTG neu anzulegen und den Herztönen des Kindes zu finden.
Als das nicht gelingt, wird der Rettungsdienst gerufen. Die Frau kommt ins Krankenhaus. Dort holen die Ärzte das Baby per Notkaiserschnitt. De massiven Hirnschaden des Kindes können sie damit aber nicht mehr verhindern.

Gleich mehrere grobe Fehler

Die Kranken- und die Pflegeversicherung des Kindes hat die Gynäkologin daraufhin wegen erheblicher Fehler verklagt und verlangt Ersatz der erheblichen Behandlungs- und Pflegekosten. Mit Erfolg.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht München bejahten eine Reihe grober Fehler bei der Versorgung der Schwangeren (OLG München, Urteil vom 25. Januar 2024 – Az. 24 U 2058/22)

Zeige ein CTG, wie hier, eine auffällige Bandbreite in der Herzfrequenz des Kindes, müsse der Arzt das CTG weiterlaufen lassen, um zu ermitteln, wie sich die Werte weiterentwickeln. Tue er das nicht, liege darin ein grober Befunderhebungsfehler. Das gilt auch, wenn, wie hier, nach dem allgemeinen medizinischen Standard noch kein CTG angezeigt war.

Zudem sei es als grober (Diagnose)Fehler anzusehen, die Bandbreite bei der Herzfrequenz des Kindes von mehr als 25 Schlägen innerhalb einer Minute als normal zu bewerten. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht nach Anhörung des medizinischen Sachverständigen. Auch sei es zum Zeitpunkt der Behandlung medizinischer Standard gewesen, ein CTG mindestens 30 Minuten aufzeichnen zu lassen. Diese Vorgabe habe die Ärztin ebenfalls in vorwerfbarer Weise missachtet.

Beweislastumkehr zugunsten des Kindes

In der Summe bejahte das Gericht mit dem groben Diagnoseirrtum und dem groben Befundungsfehler gleich zwei grobe ärztliche Behandlungsfehler. Entsprechend kehrte sich die Beweislast zu Gunsten des geschädigten Kindes um. Damit sah das Gericht die Fehler der Ärztin ohne weiteres als ursächlich für den nach der Geburt offenbar gewordenen schweren Geburtsschaden des Kindes an.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:

Die Entscheidung des Gerichts ist zutreffend. Auch wenn keine rechtliche Pflicht zu einer bestimmten Diagnostik besteht, muss ein Arzt, der sie gleichwohl durchführt, deren Ergebnisse beachten und ihnen weiter nachgehen. Andernfalls begeht er einen groben Fehler, der die im Arzthaftungsprozess so wichtige Umkehr der Beweislast bewirkt.

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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann Rechtsanwalt Jürgen Wahl als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht gut beurteilen.
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