Arzthaftung: Berechnung des Schmerzensgelds bei dauerhaften Schäden

Schmerzensgeld für Geburtsschäden ist schwer zu berechnen, denn die Opfer und ihre Familien leiden oft ein Leben lang. Der BGH hat nun zumindest festgehalten, welche Methode in solchen Fällen nicht zum Einsatz kommen darf – und der tagesgenauen Abrechnung eine Absage erteilt.
Eine Frau wird per Notkaiserschnitt von einer Tochter entbunden. Die Geburt war zunächst mit Prostaglandin eingeleitet worden, dann kam es zu einer Uterusruptur, die den operativen Eingriffs erforderlich machte. Dieser konnte jedoch nicht mehr verhindern, dass das Kind mit einem schweren Hirnschaden zur Welt kam. Das Mädchen ist vollständig und dauerhaft pflegebedürftig.
Der verantwortliche Arzt wurde im Juli 2017 dem Grunde nach verurteilt, dem heutigen Teenager jeden künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf die Geburt zurückgeht. Das Argument: Der Mediziner hätte die Mutter, die bereits ein Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht hatte, auf das erhöhte Risikos einer Uterusruptur bei vaginaler Geburt nach vorausgegangenem Kaiserschnitt und einer Einleitung mittels Prostaglandin hinweisen und sie alternativ über einen Kaiserschnitt aufklären müssen. Das aber hatte der Arzt unterlassen.

„Schmerzhaftes Bewusstsein“ der eigenen Beeinträchtigung

Die Geschädigte forderte im anschließenden Verfahren insgesamt 680 000 Euro Schmerzensgeld. Das LG Mainz hielt 500.000 Euro für ausreichend, ebenso das das OLG Koblenz. Das Argument: Obwohl der heutige Teenager sich seiner Beeinträchtigung bewusst sei, bleibe das Gesamtbild der Erkrankung hinter anderen Fallgestaltungen zurück, in denen die Kinder lebenslang nicht über den Entwicklungsstand eines Säuglings hinauskämen und eine Kommunikation kaum möglich sei.
Diese Einschätzung begründete das Gericht unter anderem damit, dass die Geschädigte seit ihrem dritten Lebensjahr einen Kindergarten und später eine Förderschule besuchen konnte. Zudem sei sie, wenn auch in sehr eingeschränktem Umfang, in der Lage, mit anderen Kindern in Interaktion zu treten, und könne mit individueller Unterstützung und der Hilfe des sogenannten „Tobii Talkers“ Unterrichtsbeiträge erbringen.
Im Hinblick darauf, dass ihre Persönlichkeit zwar schwer beeinträchtigt sei, in geringem Umfang aber noch zum Tragen komme, sei ein Schmerzensgeld jenseits der 500 000 Euro nicht mehr angemessen.

„Tagegenaue Berechnung“ als ungeeignete Methode

Gegen diese Entscheidungen ging das Mädchen vor und zog für den Bundesgerichtshof. Doch auch der folgte der Auffassung der Vorinstanzen (Az.: VI ZR 16/21). Insbesondere eine „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgeldes mit einem Tagessatz von 40 Euro für Dauerschäden – wie von der Geschädigten verlangt – ist seiner Auffassung nach ungeeignet, um eine einheitliche Entschädigung aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu liefern.

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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann ein Rechtsanwalt mit genauen Kenntnissen im Arzthaftungsrecht beurteilen. Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.
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