Arzthaftung: Arzt muss auch Zufallsbefunde kommunizieren
Muss ein Radiologe, der einen Patienten wegen Kopfschmerzen ins MRT schiebt, auch auf Auffälligkeiten hinweisen, die nichts mit seinem Auftrag zu tun haben? Und wer steht für Schäden gerade, die entstehen, wenn der Arzt einen Zufallsbefund für sich behält?
Der Fall beginnt wie viele andere: Ein Mann leidet unter ständigen Kopfschmerzen und wird deshalb von seinem Hausarzt zu einem Radiologen überwiesen, um die Ursache abklären zu lassen. Der Spezialist erstellt ein MRT des Schädels und bewertet den Befund als altersentsprechend und unauffällig. Dass die Bildgebung in der linken Felsenbeinspitze sowie am Knochen hinter der linken Ohrmuschel gewisse Auffälligkeiten erkennen lässt, kommuniziert er nicht.
Vier Monate später sucht der Patient eine HNO-Ärztin auf. Nach wie vor leidet er unter Kopfschmerzen, nun allerdings sind noch unter Schwindelattacken und Druck auf den Ohren hinzugekommen. Die Ärztin fertigt ein CT an und diagnostiziert auf Basis der Bilder eine Perlgeschwulst des Ohres (Cholesteatom). Diese wird anschließen zwar operativ entfernt. Allerdings leidet der Patient nun unter Lähmungen im Gesicht.
Arzt darf sich nicht hinter dem Auftrag auf der Überweisung verstecken
Er verklagt daher den Radiologen, da dieser grob fehlerhaft den erkennbaren Befund übersehen und so zur Verzögerung der gebotenen Behandlung beigetragen habe. Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung hätte sich vermeiden lassen, dass die Geschwulst weiter wachse. Gleiches gilt, nach Auffassung des Patienten, für die Folgeschäden durch die Operation.
Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Az. 4 U 634/23) erzielte der Mann einen Teilerfolg. Das Gericht bejahte einen einfacher Diagnoseirrtum des Radiologen. Auch wenn ein Patient mit einer bestimmten Fragestellung zur weiteren Untersuchung überwiesen werde, dürfe sich dieser nicht auf den Auftragsumfang beschränken. Aufgrund der gegenüber dem Patienten bestehenden Fürsorgepflicht habe der Spezialist vielmehr für die Auswertung eines Befundes all die Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für gebotene Maßnahmen zu nehmen, die er aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereiches sowie in Anbetracht der der Behandlungssituation feststellen müsse.
Entsprechend dürfe ein Radiologe auch vor erkennbaren Zufallsbefunden nicht die Augen verschließen. Genau das sei aber vorliegend geschehen. Denn da der Nebenbefund nicht beschrieben wurde, habe der behandelnde Arzt vom Normalzustand ausgehen müssen, weswegen eine weiter Abklärung unterblieben sei.
Da das Gericht von einem einfachen und nicht von einem schweren Fehler des Arztes ausging, war es allerdings am Patienten, den Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehler und seinem Schaden zu beweisen. Dieser Beweis war ihm aus Sicht des Oberlandesgerichts im konkreten Fall aber nicht gelungen.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:
Die Entscheidung des Gerichtes ist kritisch zu hinterfragen und belegt einmal mehr, wie wichtig es ist, von Anfang an exakt zu dokumentieren, welche Probleme das Verhalten eines Arztes hervorgerufen hat. Ein spezialisierter Rechtsanwalt für Behandlungsfehler kann Ihnen helfen, die entsprechenden Unterlagen zusammenzutragen und Ihre Rechte zu wahren.
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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann Rechtsanwalt Jürgen Wahl als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht gut beurteilen.
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