Mangelnde Aufklärung bei Anwendung von Neulandmethoden – so haften Ärzte

Patienten dürfen von ihrem Arzt nicht nur eine Behandlung nach dem aktuellen medizinischen Sachstand erwarten, sondern auch eine Aufklärung über die damit verbundenen Risiken. Doch was gilt, wenn der Mediziner eine Methode anwendet, die noch nicht ausreichend erprobt wurde?

Damit ein Patient sich aus freien Stücken für oder gegen eine medizinische Behandlung entscheiden kann, muss ihn der Arzt im Vorfeld über deren Chancen und Risiken aufklären. Zudem hat er ihn darüber zu informieren, ob es auch Alternativen zu der vorgeschlagenen Therapieform gibt. Und er muss darlegen, welche Vor- bzw. Nachteile diese im Vergleich zur von Arzt präferierten Methode haben.

Besonders hohe Anforderungen stellt die Rechtsprechung an die Aufklärung, wenn sogenannte „Neulandmethoden“ zum Einsatz kommen sollen, also Verfahren, die noch nicht allgemein anerkannt sind. Will der Arzt ein solches neuartiges Verfahren anwenden, müssen Patienten nicht nur über das Für und Wider dieser Methode informiert werden. Sie sind auch darüber aufzuklären, dass der geplante Eingriff (noch) nicht dem allgemeinen medizinischen Standard entspricht und daher die Gefahr unbekannter Risiken besteht.

Das hat der Bundesgerichtshof im Fall eines Patienten entschieden, dem ein Arzt eine neuartige Bandscheibenendoprothese implantiert hatte. Im Vorfeld war der Mann nicht darüber informiert worden, dass das verwendete Implantat ausschließlich aus Kunststoff bestand und nicht, wie sonst üblich, mit Titan ummantelt war.
Auch die Tatsache, dass diese Art der Prothese klinisch noch nicht hinreichend erprobt war, ließ der Operateur bei der Aufklärung unter den Tisch fallen.

Langwieriger Rechtsstreit über Aufklärungsfehler

Der Fall wurde streitig, weil sich nach der OP-Teile des Prothesenkerns gelöst hatten und in den Spinalkanal gewandert waren, aufs Rückenmark drückten und dadurch heftige Schmerzen verursachten. Die Prothese musste daraufhin wieder entfernt werden und durch einen sogenannten Cage ersetzt werden.

Der Patient verklagte den Chirurgen sowie den Klinikträger auf Schadenersatz wegen einer fehlerhaften Behandlung und unzureichender Risikoaufklärung.

Vor dem Oberlandesgericht Oldenburg hatte der Mann zunächst keinen Erfolg. Das Gericht befand zwar, dass die Aufklärung unzureichend gewesen sei. Die neuartige Prothese sei klinisch noch nicht hinreichend erprobt gewesen. Darüber hätte der Patient informiert werden müssen.

Dennoch sah das OLG keinen Grund, den Arzt bzw. die Klinik in die Haftung zu nehmen, da der Patient der notwendigen Operation bestimmt auch bei vollständiger Aufklärung zugestimmt hätte.

Neulandmethode: BGH entscheidet zugunsten des Patienten

Diesem Argument und der Annahme einer sogenannten hypothetischen Einwilligung widersprach der Bundesgerichtshof (VI ZR 401/19). Wenn ein Patient im Unklaren gelassen werde, dass der Arzt eine nicht ausreichend erprobte Prothese implantieren wolle und dies mit unkalkulierbarem Risiko verbunden sei, könne man nicht davon ausgehen, dass er einem solchen Eingriff ohne Weiteres zugestimmt hätte.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:

Der vorliegende Fall beweist, wie wichtig es ist, sich von Anfang an durch einen versierten Rechtsanwalt beraten zu lassen und auch bei Rückschlägen nicht klein beizugeben. Sie fühlen sich von Ihrem Arzt ebenfalls nicht ausreichen informiert? Sprechen Sie mich an! Als Rechtsanwalt für Arzthaftung berate ich Sie fair und kompetent und setze Ihre Ansprüche auch in einem Rechtsstreit durch.

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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann Rechtsanwalt Jürgen Wahl als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht gut beurteilen.
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