Trotz Behinderung des Kindes: Keine Haftung des Arztes für Geburtsschaden

Ein Baby erleidet während der Geburt einen Schlaganfall und wird sein Leben lang behindert bleiben. Die Eltern suchen die Schuld bei den Ärzten und der Hebamme. Der Fall wird streitig. Nun liegt die Entscheidung vor.

Während der Geburt sind sowohl die werdende Mutter als auch das (ungeborene) Kind zahlreichen Risiken ausgesetzt. Eines davon: das sogenannte Amnioninfektionssyndrom (AIS). Der Begriff bezeichnet eine bakterielle Infektion in der Schwangerschaft. Dabei können Bakterien die Eihäute, die Plazenta und das Ungeborene selbst infizieren. Das AIS tritt besonders häufig nach einem Blasensprung auf und ist für Mutter und Kind potenziell lebensbedrohlich. Je nach Situation kann daher ein Kaiserschnitt notwendig werden.

So auch im Fall ein 37-jährigen Frau, die zur Geburt ihres ersten Kindes in eine Klinik kam.

Nach sie dort einen Jungen auf die Welt gebracht hatte, stellte sich heraus, dass das Kind während der Geburt einen Schlaganfall erlitten hatte. Es wird daher lebenslang unter Atemaussetzern leiden und mit dauerhaften Einschränkungen zu kämpfen haben.

Die Klage der Eltern, die namens ihres Sohnes unter anderem 150 000 Schmerzensgeld von der Klinik verlangten, wies das Landgericht Flensburg jedoch als unbegründet ab (Az. 3 O 313/20).

Keine nachweisbaren Fehler der Geburtshelfer

Die Eltern hatten unter anderem vorgetragen, dass die werdende Mutter nach ihrem Blasensprung liegend ins Krankenhaus hätte transportiert werden müssen. Zudem monierten sie eine unzureichende Befunderhebung mit Blick auf das aufkommende AIS und die Tatsache, dass die diensthabende Hebamme mehrere Schwangere gleichzeitig betreut hatte.
Auf Basis eines Sachverständigengutachtens folgte das Gericht dieser Einschätzung allerdings nicht, sondern entschied zugunsten der Klinik. Dabei führte es aus, dass Ärzte nicht verpflichtet seien, Gebärende nach einem Blasensprung nur noch liegend zu transportieren. Das gelte auch, wenn die Mutter Erstgebärende und der Muttermund gar nicht oder nur leicht geöffnet ist.

Auch sei es nicht zu beanstanden, wenn eine Hebamme zeitgleich mehrere Entbindungen betreue. Einen festen Hebammen- bzw. Arzt-Schlüssel im Kreissaal gebe es nicht.

AIS ist kein Notfall

Keinen Anlass zur Beanstandung boten nach Auffassung des Gerichts auch die erhobenen Befunde während der Geburt. Die Tatsache, dass die CTG-Aufzeichnung für 13 Minuten unterbrochen worden war, sei per se nicht behandlungsfehlerhaft. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Entzündungswerte der Mutter nicht direkt bei Aufnahme in den Kreißsaal erhoben worden waren. Ein solches Vorgehen wäre nur notwendig, wenn es zu diesem Zeitpunkt bereits Hinweise auf eine Infektion gegeben hätte. Das aber sei vorliegend nicht der Fall gewesen.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien die zur Diagnose eines aufkommenden AIS erforderlichen Befunde in ausreichendem Maß erhoben worden. Das Team im Kreißsaal habe überdies behandlungsfehlerfrei auf die Werte der kindlichen Herzkurve, die Laborwerte und die Körpertemperatur der Mutter reagiert und die Entscheidung für eine Kaiserschnittentbindung in angemessener Zeit getroffen. Zwar sollte bei der Diagnose eines aufkommenden AIS sollte die Geburt baldigst stattfinden. Es handle sich aber nicht um einen Notfall. Es genüge daher, die Geburt innerhalb von 30 bis 60 Minuten anstreben. Das sei hier erfolgt, so dass Ansprüche des Kindes gegen die Klinik zu verneinen waren.

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