Geburtsschaden: Wenn der Streit um Behandlungskosten zur Gutachterschlacht verkommt

Ein Baby kommt mit einem schweren Hirnschaden zur Welt. Schicksal? Oder doch ein ärztlicher Behandlungsfehler? Manchmal benötigen Gerichte mehrere Sachverständige, um die Wahrheit ans Licht zu bringen….
Wenn bei der Geburt eines Kindes etwas schief geht, sind die Folgen oft dramatisch und beeinträchtigen das Leben des Neugeborenen und seiner Familie dauerhaft.
Gehen die Schäden auf eine mutmaßlich falsche medizinische Behandlung zurück, folgen zudem meist langwierige Rechtsstreitigkeiten. Doch nicht nur der Beweis eines Arztfehlers an sich bereitet vielfach Probleme. Oft stellt sich auch die Frage, wer ist in einer solchen Situation überhaupt klagen darf. Steht dieses Recht allein dem betroffenen Kind zu? Oder können auch Kranken- und Pflegeversicherer als Kläger auftreten, um die entstandenen und noch entstehenden Behandlungskosten erstattet zu bekommen?

Auch Kassen dürfen klagen

Über diese Frage hatte nun das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) zu entscheiden – und bejahte die Klagebefugnis der Versicherung (Az.: 5 U 130/19).
Diese hatte die Trägerin des Krankenhauses verklagt, in dem ein Kind mit einem Hirnschaden zur Welt gekommen war. Streitig war, ob dem Klinikpersonal bei der Geburt ein Fehler unterlaufen war, der den Schaden verursacht hatte. Der Kasse waren bis zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben Behandlungs- und Pflegekosten in Höhe von etwa 180.000 Euro entstanden. Die Höhe der in Zukunft anfallenden Kosten war noch gar nicht absehbar.
Das Landgericht Osnabrück hatte die im Jahr 2017 erhobene Klage der Kasse im Jahr 2019 abgewiesen. Das eingeholte Gutachtens belegte nach Auffassung des Gerichtes nicht, dass es im konkreten Fall zu einem Behandlungsfehler gekommen war.
Das OLG Oldenburg bewertete den Fall jedoch anders. Nachdem es zwei weitere Gutachten eingeholt hatte, kam es – gestützt auf das Aussagen eines Geburtsmediziners – zu der Erkenntnis, dass die Geburt des Kindes mit einer sogenannten Vakuumextraktion („Saugglocke“) hätte beschleunigt werden können und müssen. Hätten die Ärzte dieses Verfahren eingesetzt, hätte das Kind 21 Minuten früher entbunden werden können.
Die Zeitverzögerung, die sich durch das Unterlassen der Vakuumextraktion ergab, war nach Meinung des Oberlandesgericht zumindest mitursächlich für den Hirnschaden des Kindes. Dabei stützte sich das Gericht auf das Gutachten eines Kinderneurologen.

Rechtsstreit geht in eine neue Runde

Auf Basis dieser Erkenntnisse bejahte das OLG den Streit einen Anspruch der Kasse auf Ersatz der bereits entstandenen und der zukünftig noch entstehenden Behandlungs- und Pflegekosten. Über die genaue Höhe des Anspruchs muss jetzt allerdings wieder das Landgericht entscheiden. Es bedarf einer weiteren – umfangreichen – Beweisaufnahme.