Erblindetes Frühchen: 130 000 Euro Schmerzensgeld wegen fehlender Aufklärung der Eltern

Bei Geburten deutlich vor dem errechneten Termin besteht ein hohes Risiko, dass medizinische Komplikationen auftreten. Eine engmaschige Überwachung des Säuglings ist daher extrem wichtig. Werden die Eltern darüber nicht informiert, haftet der Arzt für etwaige Gesundheitsschäden des Kindes.

Kinder, die vor Ablauf der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) zur Welt kommen, gelten als Frühgeborene. Sie haben aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung im Mutterleid ein erhöhtes Risiko, gesundheitliche Probleme zu entwickeln. Bei Frühgeburten sind die medizinische Betreuung des Kindes und die Aufklärung der Eltern daher von elementarer Bedeutung. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in einem aktuellen Urteil betont und einem frühgeborenen Kind Schmerzensgeld im sechsstelligen Bereich sowie Schadensersatzansprüche für materielle Schäden zugesprochen (OLG Oldenburg, Az. 5 U 45/22).

Zu späte Kontrolle

Im konkreten Fall ging es um ein Baby, das in der 25. Schwangerschaftswoche (SSW) zur Welt kam. Da in dieser Phase der Schwangerschaft die Blutgefäße in der Netzhaut noch nicht ausreichend entwickelt sind, besteht bei Kindern, die so viel zu früh geboren werden, immer die Gefahr einer Netzhautablösung.
Im Rahmen der Entlassung von Mutter und Kind empfahl man den Eltern des Kindes daher eine weitere Kontrolle nach drei Monaten. Schon nach etwa fünf Wochen kam es bei dem Säugling jedoch zu einer Netzhautablösung. Diese führte zur vollständigen Erblindung des rechten Auges. Auf dem linken Auge ist das Kind stark sehbehindert.

Die Eltern verklagten daraufhin die Klinik wegen eines Aufklärungsfehler auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

In erster Instanz hatten sie damit keinen Erfolg. Das Landgericht Oldenburg verneinte einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem späten Kontrolltermin und der Netzhautablösung.

Vermeidbare Behinderung

Der 5. Senat des OLG Oldenburg bewertete den Fall jedoch anders. Seiner Meinung nach war die Empfehlung, erst drei Monate nach der Entlassung aus der Klinik eine augenärztliche Untersuchung vornehmen zu lassen, eine fehlerhafte Sicherungsaufklärung. Dabei stütze sich der Senat auf die Aussage des gerichtlichen Sachverständigen. Ihm zufolge hätte eine frühere Untersuchung vermutlich dazu geführt, dass das Kind erfolgreich mit einem Laser hätte behandelt werden können.

Das OLG Oldenburg sprach dem Kind daher 130.000 Euro Schmerzensgeld zu. Außerdem schuldet die beklagte Klinik nach Ansicht des Sentas auch Schadensersatz für die materiellen Schäden, die nicht durch die Sozialversicherungsträger übernommen werden.

Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen: Das OLG Oldenburg hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

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