Arzthaftung: Je fragwürdiger die Therapie, desto umfassender muss die Aufklärung sein

Ob Injektionen oder konservative Methoden einen Tennisarm besser heilen, ist unter Medizinern umstritten. Darauf müssen Ärzte hinweisen, wenn sie sich für einen (womöglich wenig hilfreichen) Eingriff entscheiden.
Im August 2017 begleitet eine 47-jährige Frau ihren Sohn zu einem Termin beim Orthopäden. Man kommt ins Gespräch, auch über eigene Beschwerden. Insbesondere teilt die Mutter dem Arzt mit, dass sie bereits seit mehr als einem Monat Schmerzen im Ellenbogen habe. Der Arzt untersucht die Frau, diagnostiziert einen Tennisarm auf der rechten Seite – und führt im Anschluss auch gleich eine Behandlung durch.
Dabei entscheidet er sich für eine Injektion von Schmerzmitteln und Kortkoiden – entgegen den geltenden Leitlinien, die für solche Fälle eine konservative Therapie empfehlen.

Nachträgliche Korrekturen in der Dokumentation

Zwar unterzeichnete die Frau vor der Injektion ein auf den 15.08.2017 datiertes Aufklärungsblatt. Ob und in welchem Umfang der Arzt sie über die Risiken und Erfolgsaussichten der fragwürdigen Methode aufgeklärt hat, ist jedoch streitig – und auch in der elektronischen Behandlungsdokumentation der Praxis finden sich unterschiedliche Aussagen zu diesem Vorgang.
Die erste Version vom 24.11. 2017 führt der Arzt dort aus: „Zudem klagt Pat. Nun akut über Schmerzen im rechten Ellenbogen. Beratung. Injektion Triam/Xylo…“
In einer Version vom 24.8.2018 heißt es: „Zudem klagt Pat. akut über starke Schmerzen zum rechten Ellenbogen. (…) Beratung. Nach Aufklärung erfolgt eine Injektion Triam/Xylo…“
Fest steht damit allein, dass der Orthopäde der Frau eine subkutane Injektion verabreichte. Er trug dabei weder Handschuhe noch einen Mundschutz, benetzte die Injektionsstelle jedoch mehrfach mit Alkohol.

Fehlgeschlagene Therapie

Schon kurz nach der Behandlung entwickelte die Patientin starke Schmerzen. Diese gingen, wie sich später zeigte, auf eine Infektion mit Staphylococcus Aureus im Ellenbogen zurück. Von dieser Infektion erholte sie die Frau nie mehr vollständig. Sie leidet bis heute unter Bewegungseinschränkungen und verklagte den Arzt daher auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Im Verfahren warf sie dem Orthopäden einen Aufklärungsfehler vor. Sie sei nicht darüber informiert worden, dass ihr Tennisarm sich auch konservativ zu behandeln gewesen wäre. Da sie nur moderate Beschwerden gehabt hätte, hätte sie sich die Injektion dann noch einmal überlegt.
Der Arzt wies die Vorwürfe zurück und hatte in erster Instanz Erfolg damit. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm aber wendete sich das Blatt.

Aufklärungsfehler: Patientin erhält 25 000 Euro Schmerzensgeld

Nach Anhörung mehrerer medizinischer Sachverständiger gab das Gericht der Klage vollumfänglich statt und sprach der geschädigten Patientin unter anderem ein Schmerzensgeld von 25 000 Euro zu.
Das Argument: Der Arzt habe die Frau weder im Hinblick auf mögliche Behandlungsalternativen ausreichend aufgeklärt, noch habe er ihr genügend Informationen zu den (eher kärglichen) Erfolgsaussichten de Injektionstherapie zukommen lassen. Diese liegen nach Auffassung des Sachverständigem nur bei rund 30 Prozent.
Über die Erfolgsaussichten einer Behandlung ist aber jedenfalls immer dann aufzuklären, wenn das Misserfolgsrisiko hoch und die Indikation zweifelhaft ist. Das war hier, auch wegen der geringen Beschwerden der Patientin der Fall.
Dass in der Behandlungsdokumentation vermerkt sei, dass die Klägerin „nach Aufklärung“ behandelt wurde, sei für den Arzt nutzlos, da er die elektronische Behandlungsdokumentation nachträglich geändert habe, ohne dies, wie vom Gesetz gefordert, kenntlich zu machen.

Arzthaftung Rechtsanwalt
Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Medizinrecht, hilft Ihnen bei Ärztepfusch gerne Ihr gutes Recht durchzusetzen.