Medizinrecht: Möchtegern-Chirurg muss ins Gefängnis

Ein Facharzt für Innere Medizin bietet seiner Praxis riskante kosmetische Operationen an. Zwei Patientinnen versterben. Nun hat der Bundesgerichtshof den Mediziner verurteilt.

Erstens nicht schaden, zweitens, vorsichtig sein, drittens heilen. So lautet, grob vereinfacht, einer der ältesten Grundsätze der Medizin. Leider gerät er mitunter in Vergessenheit – gerade bei kosmetischen Eingriffen. Wie sorglos ein Düsseldorfer Internist mit der Gesundheit seiner Patienten umging, ist allerdings ungewöhnlich.

Hochriskante Operationen im Hauruck-Verfahren

Im Fall einer 20 Jahre jungen Patientin hatte er zum Beispiel mehr als zwölf Liter Gewebeflüssigkeit abgesaugt, in denen sich 9,5 Liter Fettgewebe befanden. Hiervon applizierte er 0,5 Liter in die rechte und 0,7 Liter in die linke Brust der Frau. Jeweils einen Liter Fettgewebe spritzte er zudem in beide Pobacken der Frau. Diese starb zwei Tage nach der Behandlung an einem Kreislaufversagen. Schuld waren die massive Belastung des Organismus durch die Entnahme der Gewebsflüssigkeit sowie den Blutverlust während der Operation. Erschwerend kam hinzu, dass die Lunge der Frau nicht mehr richtig arbeitete, da nach dem Eingriff Fettanteile in die dortigen Blutgefäße gelangt waren.

Auch eine 44-jährige Patientin bezahlte einen Eigenfetttransfer beim besagten Arzt mit dem Leben. Der Arzt hatte bei ihr zunächst an Bauch und Rücken, den Oberarmen und den Innenseiten der Oberschenkel insgesamt 6,3 Liter Gewebeflüssigkeit abgesaugt und dadurch, 5,1 Liter Fettgewebe erhalten. Davon übertrug er in beide Gesäßhälften der Geschädigten jeweils 900 Milliliter. Die Patientin verstarb am Tag nach dem Eingriff ebenfalls an Kreislaufversagen.

Lebensgefährliche Komplikationen unter den Tisch gekehrt

Vor dem Eingriff hatte der Internist die Patientinnen zwar aufgeklärt. Dabei allerdings hatte er sie nicht darauf hingewiesen, dass bei einer Fettabsaugung die Gefahr von Komplikationen mit der Menge der entnommenen Gewebemengen steigt und im Extremfall sogar Lebensgefahr besteht. Auch die Tatsache, dass es deutlich risikoärmer wäre, nicht einen großen, sondern mehrere kleinere Eingriffe vorzunehmen, verschwieg der Mann.

Das Landgericht Düsseldorf hatte den Arzt deshalb wegen Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und auch die Honorare von rund 26.000 Euro eingezogen. Dagegen wehrte sich der Internist und zog vor den Bundesgerichtshof. Die Karlsruher Richter wiesen die Revision jedoch als unbegründet zurück (Az. 3 StR 162/22)

Lediglich mit Blick auf die Honorare erstritt sich der Arzt einen Teilerfolg. Die Einziehungsentscheidung des Geldes wurde aufgehoben. Seine Haftstrafe hingegen muss der Möchtegern-Chirurg antreten.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:

Vor medizinisch nicht notwendige Operation sind an die Aufklärungspflicht des Arztes besonders hohe Anforderungen zu stellen, da der notwendigen Verletzung des Patienten durch den Eingriff – anders als bei gebotenen OPs – kein medizinischer Vorteil gegenübersteht. Entspricht die Aufklärung nicht diesen besonderen Anforderungen, ist die Einwilligung des Patienten in den Eingriff unwirksam. Kann der Patient (oder ein Angehöriger) dann darlegen, dass der oder die Betroffene bei ordnungsgemäßer Aufklärung von der Operation abgesehen hätte oder zumindest in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre, droht nicht nur eine Haftstrafe. Der Arzt schuldet auch Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Haben Sie Fragen?

Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann Rechtsanwalt Jürgen Wahl als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht gut beurteilen.
Suchen Sie einen Anwalt für Arzthaftungsrecht, dann kontaktieren Sie ihn unter der Telefonnummer 06181 / 70333-20 oder per E-Mail unter recht@arzthaftung-hanau.de