Arzthaftung: 14-jähriges Mädchen nach Behandlungsfehler querschnittsgelähmt – hohes Schmerzensgeld

Wegen eines falsch gelegten zentralen Venenkatheters ist ein junges Mädchen vom Hals ab querschnittsgelähmt. Zwar erhält sie 500 000 Euro Schmerzensgeld. Dennoch sprechen die Richter von einem lediglich symbolischen Ausgleich.
Weil sie unter einer angeborenen Muskelschwäche (Central-Core-Myopathie) leidet und deshalb eine stark verkrümmte Wirbelsäule hat, unterzieht sich eine 14-jährige Patientin einer Aufrichtungsoperation (Korrekturspondylodese). Während des Eingriffs verliert das Mädchen eine große Menge Blut. In der Folge sinken die Hämoglobinwerte, der Kreislauf wird instabil. Bei einem intraoperativen Aufwachtest konnte die Patientin jedoch alle Extremitäten auf Anforderung kräftig bewegen.
Nach der Operation wird das Mädchen auf die Intensivstation verlegt. Auch dort kann sie zunächst ihre Arme und Beine kräftig beugen und strecken. Da ihr Kreislauf aber immer noch instabil ist, wird ihr am Nachmittag ein zentraler Venenkatheter (ZVK) gelegt. Dabei unterläuft der diensthabenden Ärztin ein schwerwiegender Behandlungsfehler. Das Ende des Katheters landet nicht, wie beabsichtigt, in der Hohlvene vor dem Vorhof des Herzens, sondern im Spinalkanal.
Nach Anlage des Katheters erhält die junge Frau zudem Noradrenalin, Propofol und Sufentanil.
Die Fehllage des ZVK fällt am Folgetag der OP gegen 7.30 Uhr im Rahmen der Nachbefundung einer nächtlichen Computertomographie auf. Die Ärzte entfernen den Katheter zwar umgehend und führen weitere Diagnostik sowie eine Dekompressionsoperation durch. Diese Maßnahmen können jedoch nicht mehr verhindern, dass das Mädchen unterhalb es vierten Halswirbels gelähmt und fortan auf umfassende Pflege angewiesen ist

Mehrere (grobe) Behandlungsfehler

Im anschließenden Schmerzensgeldprozess sprach das OLG München der jungen Frau ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 000 Euro zu. Dabei folgten die Richter der Einschätzung mehrerer Sachverständiger, wonach man den Ärzten vorwerfen könne, dass sie dem ZVK ausdrücklich eine typische Lage zugeschrieben haben, obwohl er diese nach der Röntgenkontrollaufnahme gerade nicht hatte und man sich letztlich auf den Ausschluss eines Pneumothorax als einer typischen Fehllage beschränkt hatte.
Als groben Behandlungsfehler wertete der Senat zudem die weit überdosierte Sedierung der Klägerin mit Sufentanil. Zwar könne eine neurotoxische Wirkung und damit direkte Mitwirkung an der Querschnittslähmung sowie eine sonstige unmittelbare Schädigung der Klägerin ausgeschlossen werden, die übermäßige Sedierung habe aber die Kontrolle ihres neurologischen Status für mehrere Stunden beeinträchtigt.
Darüber hinaus hätten die Orthopäden der Klinik grob fehlerhaft davon abgesehen, dass in der Nacht erstellte CT auszuwerten bzw. diese grob fehlerhaft falsch befundet, soweit der fehlplatzierte ZVK übersehen wurde.

Schallgrenze für Schmerzensgeld bei Behandlungsfehlern

Durch die dadurch verursachte Querschnittslähmung sei die junge Frau in ihrem gesamten derzeitigen und künftigen Leben in schwerster Art beeinträchtigt. Sie ist zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Lebensführung dauerhaft nicht in der Lage und werde ihr Leben lang Tag und Nacht auf ständige fremde Hilfe auch in intimsten Bereichen angewiesen sein. Dass sie immer wieder mit Schmerzen und erheblichen Ängsten bis hin zur Todesangst durch Ersticken zu kämpfen habe, liege allein schon wegen der Beatmungsnotwendigkeit auf der Hand.
Angesichts ihrer Vorerkrankung und in Anbetracht der Tatsache, dass – etwa bei Geburtschäden – noch schwerere Beeinträchtigungen möglich sind, vertrat der Senat jedoch die Auffassung, dass das Schmerzensgeld in Fällen der Arzthaftung auch bei allerschwersten Beeinträchtigungen eine Schallgrenze von (derzeit) 600.000 Euro nicht überschreiten sollte.
Diese gelte auch vor dem Hintergrund, dass das Schmerzensgeld in solchen Fällen neben die regelmäßig ebenfalls sehr hohen materiellen Ansprüche für Pflegekosten, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, sonstige vermehrte Bedürfnisse tritt.
Durch Geld kompensierbar seien derartige Schwerstbeeinträchtigungen, durch die das Leben der Betroffenen weitgehend zerstört ist, ohnehin nicht. Schmerzensgeld werde in solchen Fällen am Ende daher immer ein symbolischer Ausgleich bleiben (OLG, München, Az. 1 U 2237/17).

Haben Sie Fragen?

Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann Rechtsanwalt Jürgen Wahl als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht gut beurteilen.
Sie erreichen ihn unter der Telefonnummer 06181 / 70333-20 oder per E-Mail unter recht@arzthaftung-hanau.de