Was genau ist ein Nervenschaden – und wie muss er in der Aufklärung beschrieben werden?

Ärzte müssen vor einer Operation die Risiken und Gefahren im Großen und Ganzen erklären. Doch wann sind diese Voraussetzungen erfüllt? Und welche Folgen haben Aufklärungsfehler, wenn sie die Entscheidung des Patienten gar nicht beeinflussen?

Ärzte in Deutschland operieren derzeit etwa 275.000 Leistenbrüche pro Jahr. Bei einem solchen Routineeingriff sollte eigentlich auch eine ausreichende Aufklärung zum Standard gehören. Doch eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden beweist, dass Ärzten hier noch immer Fehler unterlaufen.
Im konkreten Fall ging es um einen Patienten, der bei einer Leistenbruch-Operation eine dauerhaften Schädigung eines Nervs erlitten und die Klinik bzw. den behandelnden Arzt unter anderem auf Schmerzensgeld wegen eines Aufklärungsfehlers verklagt hatte.

Grundlegende Aufklärung muss persönlich erfolgen

Zwar hatte man den Patienten vor dem Eingriff per Aufklärungsbogen darauf hingewiesen, dass „Durchtrennungen oder Vernarbungen an Hautnerven“ zu „Taubheitsgefühl im Bereich der Operationsnarbe und zu vorübergehenden, selten auch bleibenden stärkeren Schmerzen in der Leistengegend oder am Damm führen“ können. Ferner war in dem Formular zu lesen, dass es „durch die Verletzung von Muskelnerven extrem selten zu einer Bauchwandlähmung, zu Empfindungsstörungen am Bein oder einer Beinlähmung“ kommen könne, die eine „weitere Behandlung, gegebenenfalls auch eine erneute Operation“ erforderlich machen könnte.
In einem persönlichen Gespräch hatte der aufklärende Arzt den Patienten zudem konkret auf die allgemeinen Operationsrisiken wie Blutungen, Schmerzen etc. hingewiesen. Bei den spezifischen Risiken im Aufklärungsbogen hatte der Mediziner jedoch lediglich „Sensibilitätsstörungen“ und ergänzend den Begriff „Narbengebiet“ vermerkt. Zu einer möglichen Verletzung der tieferliegenden Nerven mit dauerhaften starken Schmerzen hatte sich der Arzt hingegen nicht näher geäußert. Damit, so das OLG, habe der Arzt seiner Aufklärungspflicht nicht genügt.

Aufklärung per Schlagwort ist unzureichend

Zwar genüge es grundsätzlich, einen Patienten nur im Großen und Ganzen über Chancen und Risiken der Behandlung zu informieren. Dabei allerdings müsse ihm eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu dramatisieren.
Eine Nervschädigungen kann, je nach betroffenem Nerv, ein breites Spektrum möglicher Folgen haben – von vorübergehenden Schmerzen über einer kurzfristigen Lähmung oder ein Taubheitsgefühl bis hin zu chronischen, unbeherrschbaren Schmerzen oder andauernder Lähmung. Daher genüge ein allgemeiner Hinweis auf mögliche „Nervschädigungen“ nicht, um dem medizinischem Laien eine allgemeine Vorstellung von den mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln (Az. 4 U 2901/19).
Im Ergebnis blieb die Berufung des Patienten aber trotz des Aufklärungsfehlers ohne Erfolg, da das Gericht davon ausging, dass dieser sich wohl auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für die Operation entschieden hätte und dem Arzt ein Behandlungsfehler nicht anzulasten war.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht in Hanau:

Damit Patienten wirksam in einen medizinischen Eingriff einwilligen können, müssen sie zuvor ausreichend aufgeklärt werden. Maßgeblich ist dabei stets das Gespräch mit dem Arzt. Vorgefertigte Aufklärungsformulare können diese mündliche Aufklärung nur unterstützen. Fehlt es an einer ausreichenden Aufklärung, ist der Arzt grundsätzlich schadenersatzpflichtig. Die Haftung des behandelnden Arztes entfällt nach der Rechtsfigur der sogenannten hypothetischen Einwilligung aber, wenn der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem jeweiligen Eingriff zugestimmt hätte.