Kein Schmerzensgeld für vermeintlich überflüssige Vorhautentfernung
Kein Schmerzensgeld für vermeintlich überflüssige Vorhautentfernung
Im Alter von fünf Jahren wird einem Jungen wegen einer schweren Phimose die Vorhaut entfernt. 19 Jahre später verklagt der heute Erwachsene den Operateur auf Schmerzensgeld. Zu Unrecht, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf nun entscheid.
Ein 24-jähriger Mann bringt einen Urologen vor Gericht, weil dieser ihm im Kindesalter die Vorhaut entfernt und auf diese Weise eine hochgradige Phimose behandelt hat. Bei einer Phimose ist die Vorhaut über das Alter von drei Jahre hinaus verengt, was neben Hygieneproblemen auch funktionelle Beeinträchtigungen nach sich ziehen und zu wiederkehrenden Harnwegsinfekten führen kann. Galt früher die operativen Beseitigung der Verengung als Goldstandard, wird in der modernen Medizin auch die Behandlung mit Salben als erfolgversprechend angesehen, um Phimosen zu beseitigen.
Hier setzte der Kläger an. Aus seiner Sicht hätte auch in seinem Fall eine Salbentherapie, wie sie heute üblich sei, ausgereicht. Entsprechend hätten seine Eltern über diese Behandlungsvariante aufgeklärt werden müssen. Dies sei aber unterblieben.
Da der Mann nach eigenen Angaben bis heute unter den Folgen des Eingriffs leidet, verlangte er von dem behandelnden Urologen und dem Träger des betreffenden Krankenhauses 30.000 Euro Schmerzensgeld.
Hinterher ist man immer schlauer
Sowohl das Landgericht Kleve als auch das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf allerdings gestanden dem Mann keinen solchen Anspruch zu (Az I-8 U 165/20). Der Kläger habe nicht beweisen können, dass die damals gestellte Diagnose falsch gewesen sei. Auch seien weder Behandlungsfehler nachgewiesen noch Aufklärungspflichten verletzt worden.
Vielmehr habe der behandelnde Arzt im Jahr 2003 davon ausgehen dürfen, dass die operative Entfernung der Vorhaut aufgrund der festgestellten Verengung geboten war. Da die Salbentherapie nach dem damaligen medizinischen Standard nicht als gleichwertige Therapieform gegolten habe, habe er über diese Möglichkeit der alternativen Behandlung auch nicht aufklären müssen.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:
Streitigkeiten über die Frage, ob Patienten ausreichend über ein bestimmtes Risiko oder eine bereits etablierte Therapiealternative informiert wurden, sind keine Seltenheit. In einer solchen Konstellation gilt es zu ermitteln, welche Verfahren bereits Eingang in den aktuellen medizinischen Standard gefunden haben. Das ist nicht immer einfach.
Die Rechtsprechung bejaht eine Aufklärungspflicht nur, wenn ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft auf bestimmte, mit einer Behandlung verbundene Gefahren hinweisen, die nicht lediglich als unbeachtliche Außenseitermeinungen abgetan, sondern als gewichtige Warnungen angesehen werden müssen. Wann das der Fall ist, darüber lässt sich im Einzelfall trefflich streiten. Ein spezialisierter Rechtsbeistand kann Ihnen helfen, Ihre Chancen im Einzelfall richtig einzuschätzen und Ihre Rechte wirksam durchzusetzen.