Klinik darf keinen Schadenersatz bei Behandlungsabbruch verlangen

Patientinnen, die vorzeitig von eine Mutter-Kind-Kur abbrechen, müssen auch dann keinen Schadenersatz leisten, wenn der Behandlungsvertrag eine solche Zahlung vorsieht.
Ist eine Kurklinik ein besseres Hotel – oder liegt de Schwerpunkt der dort erbrachten Leistungen auf eine medizinischen Behandlung? Dies Frage musste vor kurzem der Bundesgerichtshof beantworten – und fällte ein eindeutiges Urteil (Az. III ZR 80/20)
Im konkreten Fall stritten eine vierfache Mutter und der Betreiber einer Kurklinik im Brandenburgischen darüber, ob die Frau der Klinik Schadenersatz dafür zahlen muss, dass sie ihre Kur deutlich früher beendet hat als ursprünglich vorgesehen.
Und das war passiert: Nachdem die gesetzliche Krankenversicherung der Frau und ihren vier minderjährigen Sprösslingen eine dreiwöchige Mutter-Kind-Kur bewilligt hatte, schickte die besagte Klinik der erholungsbedürftige Mutter ein Einladungsschreiben, dem sie auch ihre Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) beigefügt hatte.
Sie enthielten unter anderem die folgende Klausel:
„Tritt die Patientin, ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit, die Abreise vor Beendigung der Maßnahme an, so kann der Einrichtungsträger Ersatz für den erlittenen Schaden verlangen. Der Ersatzanspruch ist unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und möglichen anderweitigen Verwendungen pauschaliert und beträgt 80 Prozent des Tagessatzes für jeden vorzeitig abgereisten Tag. Es bleibt der Patientin unbenommen, den Nachweis zu führen, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist.“
Die Patientin bestätigte per Unterschrift, die AGB anzuerkennen und trat am 28. Februar 2018 zusammen mit ihren Kindern die Kur an. Allerdings blieb sie nicht, wie vorgesehen, bis zum 21. März in der Klinik, sondern brach den Aufenthalt zehn Tage früher ab. Über die Gründe für die vorzeitige Abreise streiten Klinik und Patientin.
Die Klinik verlangte daraufhin Schadensersatz in Höhe von 3.011 Euro und verwies insoweit auf ihre AGB. Als die Frau die Zahlung verweigerte, wurde der Fall streitig.

Eine Kur ist keine Pauschalreise

Vor dem Amtsgericht Strausberg hatte die Klinik allerdings ebenso wenig Erfolg wie vor dem Landgericht Frankfurt/Oder und vor dem BGH. Wie schon die Vorinstanzen verneinte auch das höchste deutsche Zivilgericht einen Schadenersatzanspruch der Einrichtung. Das Argument: Der inhaltliche Schwerpunkt einer Mutter-Kind-Kur sei die medizinische Behandlung. Damit seien die von der Klinik zu erbringenden Dienste als solche höherer Art zu qualifizieren, weswegen die Patientin das Recht habe, den Vertrag jederzeit zu kündigen. Die AGB der Klinik, die im Falle der vorzeitigen Kündigung des Vertrags einen pauschalisierten Schadensersatz vorsehen, seien daher unwirksam.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht

Der Behandlungsvertrag zwischen Klinik und Patienten ist als besonderes Dienstverhältnis im Sinne des § 630a BGB zu qualifizieren, da der Patient sich nur für Ärzte oder Kliniken entscheiden wird, denen er in besonderem Maße vertraut. Deshalb räumt das Gesetz Patienten (anders als beispielsweise Pauschalreisenden) die Möglichkeit ein, den Vertrag jederzeit sanktionslos zu kündigen. Damit ist zugleich gesagt, dass Vertragsklauseln, die den Patienten bei einem solchen Behandlungsabbruch zur Zahlung von Schadenersatz verpflichten, dem gesetzgeberischen Grundgedanken widersprechen und daher unwirksam sind.