Verbotene Geldschneiderei: Vertragsarzt darf keine privaten Honorare für Kassenleistungen verlangen
Dass gesetzlich versicherte Patienten für individuelle Gesundheitsleistungen zur Kasse gebeten werden, ist in Deutschland seit Langem Usus. Doch darf der Arzt auch privat abrechnen, wenn er gewöhnliche Kassenleistungen erbringt?
Das Prinzip der Sachleistung ist einer der wichtigsten Pfeiler bei der Versorgung von Kassenpatienten in Deutschland. Es besagt, dass ein Arzt, der einen gesetzlich Versicherten behandelt, diesem normalerweise keine Rechnung stellen darf. Die Vergütung für seine Leistungen erhält er stattdessen von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die wiederum das Geld von den gesetzlichen Krankenkassen einzieht.
Dieses komplexe System steht immer wieder in der Kritik. Denn weil nicht für alle Leistungen unbegrenzt Geld zur Verfügung steht, müssen Ärzte mit einem gewissen Budget auskommen. Ist dieses am Ende des Quartals erschöpft, können Ärzte ihr Verdienst auch nicht mehr steigern, wenn sie weiterhin Kassenpatienten behandeln. Dies führt in der Praxis immer wieder dazu, dass gesetzlich Versicherte länger auf Termine warten müssen als Privatpatienten. Teils verweigern Vertragsärzte die Behandlung von Kassenpatienten sogar ganz – oder stellen diesen eine private Rechnung aus.
Rein rechtlich ist ein solches Vorgehen allerdings fragwürdig, wie ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts München belegt. (Az. S 28 KA 116/18).
Kreative Abrechnung am Quartalsende
Im konkreten Fall ging es um einen Augenarzt, in dessen Praxis sich gegen Ende des dritten Quartals eine gesetzliche versicherte Patientin vorstellte. Die Frau klagte über Schmerzen im Auge, das auch deutlich gerötet war. Weil die Versicherte im auslaufenden Quartal bereits beim Arzt gewesen war, teilte ihr die Sprechstundenhilfe mit, sie müsse die Behandlung selbst bezahlen, weil diese sich nicht mehr auf Kassenkosten abrechnen lasse. Nach dieser „Belehrung“ unterschrieb die Patientin eine Einverständniserklärung, wurde vom Arzt behandelt und bezahlte anschließend 40 Euro aus eigener Tasche. Neben der Privatliquidation rechnete der Augenarzt allerdings auch Grundpauschale (sowie einen kleinen chirurgischen Eingriff gegenüber der KV ab.
Kurz darauf schwante der Frau offenbar, dass das Vorgehen des Arztes fragwürdig war. Sie verlangte ihre 40 Euro zurück und klagte sogar auf Rückzahlung, als der Mediziner das Geld partout behalten wollte. Vor dem Amtsgericht hatte sie mit ihrer Klage zwar keinen Erfolg. Für den Arzt wurde die Sache aber dennoch teuer. Denn die streitbare Patientin beschwerte sich auch bei der KV. Die sah im Verhalten des Augenarztes einen schweren Verstoß gegen das Sachleistungsprinzip und verhängte eine Geldbuße von 2500 Euro.
Zwei Gerichtsverfahren wegen 40 Euro
Gegen diese Entscheidung zog der Arzt vor das Sozialgericht München. Er argumentierte, nur Leistungen in Rechnung gestellt zu haben, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung seien. Außerdem hätte er an diesem Tag seine Kapazitätsgrenze erreicht.
Das Gericht folgte dem nicht und bestätigte das Bußgeld. Ein Vertragsarzt dürfe die Behandlung von gesetzlich Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen. Eine kapazitätsmäßige Überlastung könne zwar einen ausreichenden Ablehnungsgrund darstellen. Am Behandlungstag habe eine solche Belastung jedoch nicht vorgelegen, da der Arzt sonst keine Zeit gehabt hätte, eine ausführliche privatärztliche Behandlung inkl. einem kleinchirurgischen Eingriff vorzunehmen.
Ein weiterer Rechtsbruch sei darin zu sehen, dass der Arzt die Patientin zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihr zustehenden Kassenleistung überredet habe und die Leistung doppelt habe.