Arzthaftung: Wenn Ärzte bei der Aufklärung ihre eigenem Krankheiten verschweigen…

…riskieren sie viel. Auch in eigener Sache. Das gilt zumindest dann, wenn die gesundheitlichen Probleme eine Gefahr für den Patienten darstellen.
Dass ein Arzt seine Patienten vor einer Operation über die Risiken des geplanten Eingriffs aufzuklären hat, ist lange bekannt. Was aber gilt, wenn Operateur selbst eine Gefahr für den Patienten darstellt?
Diese Frage musste vor Kurzem das Bayerisches Oberstes Landesgericht entscheiden – und fällte ein eindeutiges Urteil (Az. 205 StRR 141/21). Danach muss ein Behandler seine Patienten vor einer Operation unter gewissen Umständen auch über eigene Vorerkrankungen aufklären. Tut er das nicht, droht ihm möglicherweise sogar eine Gefängnisstrafe.

Vorsätzliche Körperverletzung durch den Arzt?

Im konkreten Fall ging es um einen 60-jährigen Augenarzt, der im Jahr 2009 einen Schlaganfall erlitten. Im Jahr 2011 nahm der Mann seine operative Tätigkeit wieder auf, obwohl er nach wie vor Probleme mit der Feinmotorik hatte. Als einige Patienten nach einem Eingriff bei dem betreffenden Mediziner über Komplikationen berichteten, leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein.
Die Richter, die später mit dem Fall befasst waren, bewerteten die Lage zunächst uneinheitlich. Während das Amtsgericht Kempten den Mann wegen schwerer vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilte, wertete das Landgericht Kempten seine Tat nur als fahrlässige Körperverletzung und senkte das Strafmaß auf neun Monate zur Bewährung.
Gegen dieses Urteil legten sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft Revision ein. Der Anwalt des Arzte führte aus, sein Mandant sei nicht verpflichtet gewesen, seine Patienten über den vorangegangenen Schlaganfall zu informieren, da die zuständige Approbationsbehörde im Jahr 2012 bei einer amtsärztlichen Untersuchung keine körperlichen Einschränkungen habe feststellen können und ihm deswegen auch nicht die Approbation entzogen habe. Der Arzt sei daher freizusprechen.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hingegen gab es gewichtige Indizien dafür, dass der Arzt die Körperverletzungshandlungen sogar vorsätzlich begangen hatte, weil ihm seine körperlichen Beeinträchtigungen bekannt gewesen seien.
Dieser Auffassung schloss das Bayerische Oberste Landesgericht sich an und verwies das Verfahren zurück nach Kempten.

Wenn der Arzt ein Risiko darstellt, muss er darüber aufklären

Zur Begründung führte der Senat an, dass es im vorliegenden Fall bereits an einer wirksamen Einwilligung der Geschädigten in die Operationen gefehlt habe. Eine solche nämlich setze stets voraus, dass der Patient das Wesen, die Bedeutung sowie die Tragweite des Eingriffs und seiner Gestaltung in den Grundzügen erkennen könne und so in die Lage versetzt werde, das Für und Wider des Eingriffs abschätzen zu können.
Bei einer Augenoperation verstehe es sich von selbst, dass Patienten über jegliche Umstände aufgeklärt werden müssten, die Zweifel an der Feinmotorik des Operateurs begründeten, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Schließlich müsse der Arzt bei einem solchen Eingriff millimetergenau vorgehen. Dadurch, dass er den Schlaganfall verschwiegen habe, habe der Augenarzt im vorliegenden Fall seine Patienten daher nicht ausreichend aufgeklärt.
Der Vorsitzende betonte in der mündlichen Urteilsverkündung zudem, dass die Erteilung einer Approbation einen Arzt nicht von der Pflicht entbinde, jeweils kritisch zu prüfen, ob er über die erforderliche Eignung für eine Heilbehandlungsmaßnahme verfügt. Dies gelte namentlich für solche Maßnahmen, die mit erheblichen Risiken verbunden sind.

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