Irreführung von Patienten: Kieferorthopädin darf keine „perfekten Zähne“ versprechen

Werbebroschüren in Wartezimmern gehören in deutschen Arztpraxen ebenso zum Alltag wie die mehr oder minder subtilen Plakate, die auf jene Leistungen hinweisen, „die die Kassen nicht (mehr) übernehmen.“ Es gibt jedoch eine rote Linie, die Ärzte mit ihrer Werbung nicht überschreiten dürfen.

Die Zeiten, in denen Ärzten nahezu jede Form des Marketings verboten war, sind lange vorbei. Heute dürfen auch Mediziner offensiv über ihre Leistungen informieren und für bestimmte Produkte werben. Da „Fehlkäufe“ im Bereich der Gesundheit aber nicht nur teuer, sondern auch gefährlich sein können, macht das Heilmittelwerbegesetz (HWG) sehr konkrete Vorgaben dafür, welche Werbemaßnahmen gegenüber medizinischen Laien erlaubt und welche verboten sind.

Eine der zentralen Regeln ist § 3 HWG. Er verbietet „irreführende Werbung“ für Arzneimittel, Medizinprodukte und bestimmte Therapieverfahren ist. Doch wann ist eine Werbung irreführend im Sinne der Vorschrift?

Mit dieser Frage hatte sich vor einiger Zeit das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M. zu beschäftigen (Az. 6 U 219/19).

Erfolgsversprechen sind in verboten

Im konkreten Fall ging es um eine kieferorthopädische Praxis. Sie bewarb die von ihr verwendeten Zahnschienensysteme auf der Homepage unter anderem mit diesen Worte:

„(…) ist eine kostengünstige individuelle Zahnspange für Leute, die wenig Zeit haben und trotzdem perfekte Zähne haben möchten. Sie sehen sofort beim 1. Termin, welche Ergebnisse sie innerhalb von sechs Monaten erreichen können.“ „(…) man (erhält) 14 Schienen für jeden Kiefer, die man jeweils zwei Wochen trägt, jede Schiene ist anders und unverändert ihre Zähne Schritt für Schritt (…) Und bald werden Sie auf Fotos deutlich schöner Lächeln.“

Das Gericht sah in dieser Aussage ein unzulässiges Erfolgsversprechen im Sinne des HWG. Ein solches könne selbst dann vorliegen, wenn die beworbene Wirkung eines Verfahrens (hier: Zahnschienen für „perfekte Zähne“) nicht vollständig objektivierbar sei, die Werbung aber ein objektiven Tatsachenkern besitze. Das sei vorliegend zu bejahen.

In der Werbung gehe ganz offensichtlich um die Korrektur von Zahnfehlstellungen. Die Frage, ob Zähne gerade sind oder nicht, lasse sich dabei durchaus vom Standpunkt eines objektiven Betrachters beurteilen. Zudem würden die zu erwartenden Effekte in der fraglichen Werbung auch fotografisch dargestellt. Damit enthalte die Werbeaussage einen objektiven Tatsachenkern, der zugleich ein Erfolgsversprechen beinhalte.

Ein Arzt ist kein „normaler“ Unternehmer

Zwar wüssten Verbraucher, dass Superlative in der Werbung oft nur als Anpreisungen, nicht als Tatsachenbehauptung verwendet werden. Im konkreten Fall dürfe man auf diese Art des Allgemeinwissens aber nicht vertrauen, da die Werbung auf der Internetseite einer Arztpraxis stehe. Hier bestehe eine andere Verkehrserwartung als bei Werbemaßnahmen „normaler“ Unternehmer. Da Verbraucher Ärzten wegen ihres Heilauftrags ein besonderes Vertrauen entgegenbringen, messen sie deren (Werbe)-Aussagen ebenfalls eine gewisse Autorität zu und seien daher weniger geneigt, von einer bloßen reklamehaften Übertreibung auszugehen.

Entsprechend verstoße die fragliche Werbung gegen das Heilmittelwerbegesetz und dürfe künftig nicht mehr verwendet werden.

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