Fehlende Aufklärung: Heilpraktikerin haftet für Tod ihrer Patientin

Eine junge Frau hat Krebs, aber gute Heilungschancen. Dennoch lässt sie sich nicht nach schulmedizinischen Methoden behandeln, sondern vertraut ihrer Heilpraktikerin. Deren Behandlungsmethoden bleiben wirkungslos. Die Frau verstirbt. Ein Haftungsfall?

Ein Mann hat seine Frau verloren, ein kleiner Junge wächst ohne Mutter auf. Dafür fordert der Vater des Kindes Schmerzensgeld – und erringt in zweiter Instanz einen Sieg.
Im konkreten Fall geht es um den Tod einer 27-jährigen Frau. Sie erhält während der Schwangerschaft die Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Um das Kind nicht zu gefährden, verschiebt sie die Behandlung auf die Zeit nach der Geburt. Als ihr Sohn auf der Welt ist, beginnt sie eine Strahlentherapie. Diese zeigt erste Erfolge, die Prognosen sind gut.
Dennoch bricht die Frau im Juni 2015 die schulmedizinische Behandlung ab und begibt sich in die Hände einer Heilpraktikerin. Diese übt, wie das Gericht später feststellen wird, einen intensiven Einfluss auf die Kranke aus, die ursprünglich durchaus offen für eine schulmedizinische Behandlung war, nun aber die Warnungen der Ärzte ignoriert und ihren Krebs mit einem Schlangengift-Präparat behandeln lässt. Der Nutzen dieser sog. Horvi-Therapie ist wissenschaftlich nicht belegt.

Vermeidbarer Todesfall

Wenige Monate später verstirbt die Frau. Ihr Witwer verlangt daraufhin – für seinen Sohn – 170.000 Schadensersatz von der Heilpraktikerin. Vor dem Landgericht Passau hat er mit seinem Ansinnen noch keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht München gibt dem Sohn dann aber zumindest dem Grunde nach Recht.
Zwar habe die Heilpraktikerin der Verstorbenen nicht aktiv zum Abbruch der lebensrettenden Strahlentherapie geraten, so das Gericht. Allerdings habe sich die Patienten „in größter Not“ an sie gewandt und auf ihr überlegenes Fachwissen vertraut. Es wäre daher die Aufgabe Heilpraktikerin gewesen, der jungen Mutter eindringlich zur Wiederaufnahme der lebensrettenden Strahlentherapie zu raten. Da sie das nicht getan habe, müsse sie für den entstandenen Schaden geradestehen.

Patientenrechtegesetz gilt auch für Heilpraktiker

Das Gericht stützt seine Entscheidung unter anderem auf das Patientenrechtegesetz. Dieses gelte auch für Heilpraktiker. Entsprechend müssten die Berufsträger ihre Patienten darauf hinweisen, dass eine alternative Behandlungsmethode kein adäquater Ersatz für die Schulmedizin sei. Wenn der Patient erkennbar an der Sinnhaftigkeit der schulmedizinischen Behandlung zweifele, müsse der Heilpraktiker dem aktiv entgegentreten und den Patienten nicht noch weiter darin bestärken, von der ärztlich gebotenen Therapie abzulassen. Andernfalls begehe er einen Behandlungsfehler.
Die ursprünglich von seinem Vater geforderte Summe erhält der Junge aber nicht. Da das Gericht der Patientin eine erhebliche Mitschuld anlastet, muss die Heilpraktikerin dem Kind lediglich 30.000 Euro zahlen. Zudem muss die Frau, die keine Haftpflichtversicherung besitzt, Schadensersatz für entgangenen Kindesunterhalt in Höhe von rund 7.100 Euro zahlen und die außergerichtlichen Anwaltskosten des klagenden Vaters übernehmen.

Anwaltskanzlei in Hanau: Fachanwalt für Medizinrecht Jürgen Wahl berät und hilft Ihnen gerne bei Arzthaftungsfragen.