Anspruch auf rechtliches Gehör: Was Patienten vor Gericht verlangen können

Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. So steht es im Grundgesetz, genauer gesagt in Art. 103 Abs. 1 GG.  Doch was genau ist unter dem Begriff des rechtlichen Gehörs zu verstehen? Und wann ist der Anspruch darauf verletzt? Diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) vor kurzem in einer Entscheidung aus dem Medizinrecht beantwortet.

Konkret ging es um eine Patientin, die vor dem Landgericht (LG) München I Schadensersatz von einen Schönheitschirurgen verlangt hatte. Die Frau war mit dem Ergebnis eines Facelifts unzufrieden, für dass sie 20 000 Euro gezahlt hatte: Sie trug vor, dass seit dem Eingriff ihre Mundwinkel nach unten hingen. Auch stimmten die Proportionen ihres Gesichtes nicht mehr. Zudem leide sie darunter, dass ein deutlicher Hautüberschuss über ihrem linken Auge zu sehen sei. Gleiches gelte für die Narben an den Schläfen.

Verspätetes Vorbringen in der Berufungsinstanz?

Nachdem das LG die Klage abgewiesen hatte, ging die Frau in Berufung und trug in der zweiten Instanz zusätzlich vor, dass in ihrem Fall schon deshalb ein Behandlungsfehler vorliege, weil es sich bei der verwendeten Lifting-Methode um eine Neulandmethode gehandelt habe, nach der eine Korrektur nicht oder nur schwer möglich sei. Davon habe sie erst erfahren, als das LG München I bereits entschieden hatte.

Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Berufung der Frau jedoch zurück. Das Argument: Die Patientin hätte schon den vom LG München I gehörten Sachverständigen zu diesem Umstand befragen müssen. Nunmehr sei ihr Vorbringen in der Berufung nach § 531 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) verspätet.

Rüffel aus Karlsruhe

Der BGH sah das anders und entschied: Das OLG hätte das Vorbringen der Frau nicht zurückweisen dürfen. Die Voraussetzungen hierfür hätten „offenkundig nicht vorgelegen“ (BGH, AZ. Az. VI ZR 35/23).

Unzutreffend sei es bereits, dass sich die Patientin um frühere Kenntnis dieser Umstände hätte bemühen müssen. Denn eine Verpflichtung, unbekannte Umstände erst zu ermitteln, obliege den Parteien grundsätzlich nicht. „Der Patient ist auch nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen“, so die Karlsruher Richter.

Der Fall wurde daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das nun erneut entscheiden muss.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:

Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel erlaubt die Zivilprozessordnung aus Gründen der Prozessökonomie nur unter bestimmten Bedingungen. Diese dürfen die Gerichte aber nicht zu eng interpretieren. Andernfalls verletzten sie, wie gesehen, den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör und die Entscheidung ist angreifbar.

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