Trotz grobem Behandlungsfehler kein Schmerzensgeld?

Wenn Ärzte sich nicht an die Standards ihrer Zunft halten, kann das für Patienten gefährliche Folgen haben. Und doch steht nicht jedem, der unzureichende versorgt wurde, automatisch ein Schmerzensgeld zu. Die Hintergründe.

Ein kleiner Junge bricht sich beim Trampolinspringen den Unterarm. Da der Bruch, eine sogenannte Grünholzfraktur, verschoben ist, wird das Kind operiert und mit Gipsarm nach Hause geschickt. Das Röntgenbild, das nach dem Eingriff angefertigt wird, zeigt „achsgerechte Stellungsverhältnisse“.

Im Zuge der Nachsorge fertigen die Ärzte einige Wochen nach der Operation noch einmal Röntgenaufnahmen an. Es stellt sich heraus, dass der Bruch nach wie vor nicht optimal steht. Dem Kind wird daraufhin eine konservative Therapie mit Krankengymnastik empfohlen. Außerdem erhalten die Eltern den Rat, ihren Sohn für weitere vier Wochen keine Kontaktsportarten (z. B. Fußball) ausüben zu lassen. Auch aufs Trampolinspringen soll der Junge vorerst noch verzichten.

Wäre die Fehlstellung früher erkennbar gewesen?

Die Mutter des kleinen Patienten reicht daraufhin Klage ein und verlangt Schmerzensgeld für ihren Sohn. Das Argument: Die Kontrolluntersuchungen nach der Operation hätten nicht dem Facharztstandard entsprochen. Dieser sehe engmaschigere (Röntgen)-Kontrollen bei Kindern mit Knochenbrüchen vor. Da diese nicht erfolgt seien, sei auch die Fehlstellung im Knochen ihres Sohnes nicht aufgefallen. Ob diese in Zukunft – sei es durch die zunächst empfohlene konservative Therapie oder durch eine weitere OP – behoben werden könne, sei noch offen.

Zudem stelle es für knapp dreijähriges Kind eine erhebliche Beeinträchtigung dar, für vier Wochen auf Kontaktsportarten und Trampolinspringen verzichten zu müssen.

Ohne Schaden kein Schadensersatz

Vor dem Landgericht Darmstadt hatte die Frau mit ihrem Vorbringen allerdings keinen Erfolg (Az. 8 O 268/21). Zwar bestätigte der vom Gericht gehörte Sachverständige einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Facharztstandard, wie er in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie niedergelegten ist. Danach hätte sieben bis zehn Tage noch der OP – und nicht erst Wochen später – eine weitere Röntgenkontrolle erfolgen müssen.
Im konkreten Fall sei dem Jungen durch dieses Versäumnis allerdings kein Schaden entstanden: Denn auch wenn die vorgesehenen weiteren Röntgenuntersuchungen stattgefunden hätten, hätte sich aus den durch sie gewonnenen Erkenntnissen kein reaktionspflichtiger Befund ergeben: Die Achsverschiebung des Unterarmknochens sei nicht auf Behandlungsfehler der beklagten Ärzte zurückzuführen. Vielmehr bestehe bei Kindern und angesichts des locker liegenden gespaltenen Oberarmgipses stets die Möglichkeit von Verschiebungen, etwa, wenn der Arm aus dem Gips genommen werde.
Eine etwaige eingeschränkte Beweglichkeit und eine Einschränkung der Spitzenbelastung sei daher auch nicht auf den Behandlungsfehler, sondern auf die Verletzung als solche zurückzuführen. Mangels eines Schadens durch den Fehler sei daher auch kein Schadensersatz angezeigt.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:

Opfer von Behandlungsfehlern haben nur dann einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, wenn das ärztliche Versäumnis einem Gesundheitsschaden nach sich zieht. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann Ihnen helfen, Ihre Ansprüche gegen Kliniken oder Ärzte richtig einzuschätzen und durchzusetzen.

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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann Rechtsanwalt Jürgen Wahl als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht gut beurteilen.
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