Aufklärungspflicht bei alternativen Behandlungsmethoden
Wie intensiv muss ein Arzt seine Patienten aufklären, wenn er Behandlungsmethoden anwendet, die nicht dem Facharztstandard der Schulmedizin entsprechen? Diese Frage musste vor Kurzem das Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entscheiden.
Konkret ging es um einen Patienten, der sich wegen wiederkehrender Kopfschmerzen, Erschöpfung und Schlafstörungen in einer „Praxis für Ganzheitsmedizin & Prävention“ vorstellte, die von einem Facharzt für Allgemeinmedizin, Notfallmedizin, Umweltmedizin und Homöopathie betrieben wurde.
Der Arzt führte bei dem Mann einen sogenannten Provokationstest durch und diagnostizierte eine Schwermetallbelastung. Diese behandelte er mithilfe einer „Ausleitungstherapie“. Zu diesem Zweck verabreichte er dem Patienten eine Lösung mit Alpha-Liponsäure.
Auf der Homepage des Arztes wurde das Verfahren unter anderem so beworben:
„Die konventionellen Mediziner ignorieren diese Therapie oder denunzieren sie als ineffektiv aus mehreren Gründen. Der wichtigste ist, dass die Konkurrenzverfahren den Krankenhäusern und Ärzten viel Geld in die Kassen bringen. Noch mehr Geld verdient die Pharmaindustrie mit unzähligen Medikamenten gegen hohes Cholesterin, hohen Blutdruck, … u. a. Eine billige simple Therapie wie EDTA (Anmerkung: Ausleitungstherapie), deren Patent noch dazu abgelaufen ist, würde dieses System zusammenbrechen lassen.“
Tatsächlich handelt es sich sowohl bei der Ausleitungstherapie als auch bei dem „Provokationstest“ um alternativmedizinische Verfahren, deren Kosten die Krankenkassen nicht übernehmen, da sie in der Schulmedizin nicht anerkannt und kritisch beurteilt werden.
Gesundheitsgefährdende Behandlung
Auch im konkreten Fall verbesserten sich die Beschwerden des Patienten durch die Behandlung nicht, sondern wurden sogar noch schlimmer. Der Mann wurde schließlich als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert. Dort befürchteten die Ärzte zunächst eine Leukämie, später stellten sie eine schwere Thrombozytopenie fest, also eine extreme Verringerung der Blutplättchen sowie eine mittelgradige Leberschädigung.
Da zur selben Zeit noch fünf weitere Patienten des Ganzheitmediziners mit gleichen Beschwerden in der Klinik behandelt wurden, schaltete die Krankenhausleitung die Kriminalpolizei ein. Weitere Ermittlungen ergaben, dass die Symptome bei allen Patienten durch eine erheblich überhöhte Menge von Alpha-Liponsäure verursacht worden waren.
Hohe Anforderungen an die Aufklärung bei Anwendung von Außenseitermethoden
Der Patient verklagte den Arzt daraufhin auf mindestens 200 000 Euro Schmerzensgeld. Sein Argument: Er sei nicht ordnungsgemäß über die alternativmedizinische Therapie aufgeklärt worden und durch das Verfahren in einen lebensbedrohlichen Zustand versetzt worden.
Sowohl vor dem Landgericht Leipzig als auch vor dem OLG Dresden konnte er diese hohe Forderung allerdings nicht durchsetzen, da seine Beschwerden inzwischen ausgeheilt sind.
Schmerzensgeld erhielt er aber doch. Zu kompensieren, so das OLG; sei das entstandene Leid des Patienten, also der siebentägige Krankenhausaufenthalt, die Lebensgefahr, das Erduldenmüssen der beängstigenden Verdachtsdiagnose der Leukämie, der Aufenthalt auf der Intensivstation und die Leberschädigung.
Dafür und für die fehlerhafte Aufklärung erhielt der Mann immerhin 15 000 Euro Schmerzensgeld. Dabei betonte das OLG, dass Patient bei alternativen Behandlungsmethoden „unmissverständlich“ darüber informiert werden müssten, warum von der Standardbehandlung der Schulmedizin abgewichen werde und welche Vor- und Nachteile durch das alternative Verfahren erwarten seien. In der Grundaufklärung müsse zudem auf unzulänglichen Wirksamkeitsnachweise der alternativmedizinischen Behandlung hingewiesen werden.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizinrecht:
Empfiehlt ein Arzt eine Außenseitermethode, der wegen fehlender wissenschaftlicher Belege die professionelle Akzeptanz fehlt, muss die Aufklärung besonders umfassend sein: Dem Patienten müssen nicht nur die Risiken und die Gefahr eines Misserfolges der gewählten Therapieform erläutert werden. Er ist auch darüber aufzuklären, dass der geplante Eingriff nicht dem medizinischen Standard entspricht und seine Wirksamkeit nicht wissenschaftlich belegt ist. Versäumt der Arzt eine solche Aufklärung, kann der Patient nicht wirksam einwilligen, die Behandlung ist rechtswidrig und dem Patienten stehen Schadenersatz und Schmerzensgeld zu.
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Wie die Aussichten in Ihrem konkreten Fall stehen, kann Rechtsanwalt Jürgen Wahl als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht gut beurteilen.
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